Vorsicht gerade bei guten Zeugnissen!
Nutzen Sie alle Gelegenheiten für ein Zwischenzeugnis
Bindungswirkung des Zwischenzeugnisses
Wie lange kann ein Zeugnis reklamiert werden?
Schlussformulierungen
Zufriedenheitsformel
Was tun, wenn der Arbeitgeber seiner Zeugnispflicht nicht nachkommt?
Ist Ihr Zeugnis ein Chancenkiller?
Checkliste zur Zeugnisinterpretation
Zeugnis bei Aufhebungsvertrag oder Kündigungsschutzklage mitverhandeln
.
Vorsicht gerade bei guten Zeugnissen!
Ein gutes oder gar sehr gutes Zeugnis zu schreiben ist eine hohe Kunst, die viele Arbeitgeber nicht beherrschen. Meine tägliche Praxis in der Zeugnisberatung zeigt, dass Arbeitgeber zwar oft besten Willens sind, die Zeugnisse jedoch aus Unwissenheit oder Unachtsamkeit gravierende Mängel enthalten, so dass ein falsches Bild vom Mitarbeiter entsteht oder sich unkalkulierbare Interpretationsspielräume eröffnen.
Sehr häufig sind die Zeugnisse nichtssagend und bestehen nur aus einer lieblosen Aneinanderreihung von Standardphrasen, die mehr oder weniger gut zu der betreffenden Tätigkeit passen. In einem solchen Fall wird es beim Leser keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen und ihn sogar daran zweifeln lassen, ob wirklich die Leistung und das Verhalten des jeweiligen Mitarbeiters beschrieben wurde.
TIPP:
Waren Sie ein guter Mitarbeiter, sollten Sie Ihr Zeugnis ganz besonders genau unter die Lupe nehmen – auch dann, wenn Sie sicher davon ausgehen können, dass Ihr (ehemaliger) Chef dies auch so sieht und er Ihnen ein gutes Zeugnis zugesagt hat. Machen Sie einen Test: Lässt sich die Beurteilung mit ausgetauschtem Namen auch für einen anderen Mitarbeiter verwenden oder gibt die Beurteilung keinerlei Hinweis darauf, in welchem Bereich Sie tätig waren (z.B. Vertriebstätigkeit, kreativer Beruf, sozialer Beruf, Führungsposition …), dann fehlt es Ihrem Zeugnis in jedem Fall an Individualität.
Nutzen Sie alle Gelegenheiten, sich ein Zwischenzeugnis ausstellen zu lassen
Übernehmen Sie eine neue Aufgabe, wechselt Ihr Vorgesetzter oder gehen Sie in Elternzeit? Dies wären gute Gelegenheiten ein Zwischenzeugnis zu verlangen, das Ihr Arbeitgeber Ihnen nicht verwehren darf. Gerade wenn alles gut läuft und man mit Ihnen sehr zufrieden ist, sollten Sie dies tun. Denn schnell sind all die guten Jahre vergessen, wenn es einen Streitfall gab oder einfach nur die Chemie mit einem neuen Vorgesetzten /Kollegen nicht stimmt.
Scheiden Sie aus dem Unternehmen aus und erhalten nur ein mittelmäßiges Zeugnis, dann müssen Sie beweisen können, dass Sie ein besseres Zeugnis verdienen. (Ist das Zeugnis schlechter als Note 3 kehrt sich die Beweislast um und muss Ihr Arbeitgeber beweisen, dass Sie unterdurchschnittliche bzw. schlechte Leistung erbracht haben.) Diesen Beweis vor Gericht anzutreten, ist für Arbeitnehmer in der Regel sehr schwer, sofern nicht Zwischenzeugnisse oder interne Beurteilungen vorgelegt werden können.
TIPP:
Lassen Sie sich daher möglichst regelmäßig Zwischenzeugnisse ausstellen und heben Sie Unterlagen der internen Mitarbeiterbeurteilungen bis zu Ihrem Austritt alle gut auf.
Bindungswirkung des Zwischenzeugnisses
Der Arbeitgeber ist an seine Aussagen im Zeugnis gebunden und kann diese nur bei gravierenden objektiven Unrichtigkeiten widerrufen. Diese Bindungswirkung kann für Sie Vor- und Nachteile haben.
Vorteil: Etwaige Unstimmigkeiten zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses können nicht auf das Zeugnis durchschlagen und das Gesamtbild verzerren, zumindest wenn das Zwischenzeugnis noch nicht sehr alt ist.
Nachteil: Wurde Ihre Leistung oder Ihr Verhalten im Zwischenzeugnis falsch oder unvorteilhaft beurteilt und haben Sie dies seinerzeit nicht reklamiert, so ist Ihr Berichtigungsanspruch unter Umständen schon verwirkt.
TIPP:
Legen Sie das Zwischenzeugnis nicht unbesehen in die Schublade, wenn Sie es erst einmal nicht benötigen. Auch wenn Sie davon ausgehen können, dass man Ihnen nichts Böses wollte, sollten Sie das Zeugnis genau prüfen und ggf. sofort reklamieren. Verschieben Sie eine Auseinandersetzung nicht auf den Zeitpunk des Endzeugnisses, denn dann kann es zu spät und Berichtigungsansprüche verjährt oder verwirkt sein.
Wie lange kann ein Zeugnis reklamiert werden?
Es gibt keine festen Fristen und es wird von den Gerichten fallbezogen entschieden, wann ein Berichtigungsanspruch verwirkt ist. So gibt es Urteile, nach denen dies schon nach 5 Monaten oder erst nach über einem Jahr der Fall war.
Schlussformulierungen
Viele Personalfachleute lesen zunächst die Schlussformulierungen, da sie ihnen sehr große Bedeutung zumessen. So darf heute (aus der Sicht eines Personalfachmanns) in einem guten Zeugnis neben den Zukunftswünschen ein Dank für die erbrachten Leistungen und ein Bedauern über das Ausscheiden nicht fehlen.
Prüfen Sie, ob Ihr Zeugnis Dank, Bedauern und gute Wünsche enthält. Aber Achtung: Dank ist nicht gleich Dank und Bedauern ist nicht gleich Bedauern. Auch bei der Formulierung der Schlussformeln gibt es genauso Abstufungen auf der Positivskala wie bei der Zufriedenheitsformel. So macht es einen großen Unterschied, ob Ihnen zum Beispiel für die ‘gute Mitarbeit‘ oder die ‘stets gute Mitarbeit‘ oder gar für die ‘stets sehr gute Mitarbeit‘ gedankt wird.
Ein Rechtsanspruch auf diese Floskeln besteht jedoch nicht – nicht einmal auf die obligatorische Grußformel.
Was tun, wenn der Arbeitgeber seiner Zeugnispflicht nicht nachkommt?
Der Arbeitgeber muss Ihr Zeugnis ohne schuldhafte Verzögerung ausstellen – vorausgesetzt Sie haben überhaupt ein Zeugnis verlangt. Im § 35 TVöD heißt es sogar „unverzüglich“. Dies bedeutet, dass er das Zeugnis innerhalb weniger Tage aushändigen muss.
Das Zeugnis darf nicht aufgrund etwaiger Gegenforderungen (z.B. noch nicht zurück gezahlte Lohnvorschüsse oder noch zurückzugebendes Werkzeug bzw. Arbeitskleidung) als Pfand zurückbehalten werden, anderenfalls macht sich Ihr Arbeitgeber unter Umständen schadensersatzpflichtig (ArbG Passau 15.10.1973 – 2 Ca 180/73 und LAG Hamm 27.2.1997 – 4 Sa 1691/96).
Wenn Sie nach ca. 14 Tagen oder spätestens 3 Wochen Ihr Zeugnis noch nicht in Händen halten, sollten Sie Ihren (ehemaligen) Arbeitgeber nochmals auffordern. Am besten tun Sie dies schriftlich und nachweisbar (per Einschreiben mit Rückschein oder mit zu unterzeichnender Empfangsbescheinigung). Setzen Sie ihm eine angemessene Frist. Schreiben Sie dabei aber nicht z.B. „innerhalb von 14 Tagen“, sondern geben Sie ein konkretes Datum an. Reagiert der Arbeitgeber dann immer noch nicht, befindet er sich ab diesem Datum in Verzug und haftet für alle Schäden die Ihnen daraus entstehen. Bekommen Sie beispielsweise einen Job nicht, weil Sie kein Zeugnis für die letzte Tätigkeit vorlegen konnten und erleiden Sie daraus resultierend Einkommensausfälle, können Sie Ihren ehemaligen Arbeitgeber auf entsprechenden Schadenersatz verklagen. Aber Achtung: Der Schaden muss nachweisbar sein. Es genügt nicht, dass Sie das fehlende Zeugnis als den Grund für eine Bewerbungsabsage vermuten.
Notfalls können bzw. müssen Sie Ihren Zeugnisanspruch gerichtlich durchsetzen, ggf. auf dem Wege der Einstweiligen Verfügung.
Die Zufriedenheitsformel
Das wohl bekannteste Beispiel für den taktischen Sprachgebrauch bei Arbeitszeugnissen ist die Zufriedenheitsformel. Fast jeder weiß, dass “stets zu unserer vollsten Zufriedenheit” eine sehr gute und “zu unserer vollen Zufriedenheit” nur eine befriedigende Beurteilung darstellt. Viele Arbeitnehmer sind aber bei der Überprüfung ihres Zeugnisses zu sehr auf diese Floskel fixiert, betrachten sie isoliert und übersehen andere nachteilige Aussagen. Denn um Streitigkeiten von vornherein zu vermeiden, sind Arbeitgeber bei der Anwendung dieser Formel oft sehr großzügig, relativieren deren Aussage dann aber durch mittelmäßige Bewertungen einzelner Leistungskriterien, durch Auslassungen oder durch zurückhaltende Schlussformulierungen am Ende des Zeugnisses (Dank, Bedauern, Zukunftswünsche).
TIPP 1:
Vermeiden Sie eine Überbewertung der Zufriedenheitsformel und betrachten Sie diese immer nur im Gesamtkontext.
TIPP 2:
Arbeitgeber behaupten manchmal, dass in ihrem Unternehmen die Formel “stets zu unserer vollen Zufriedenheit” als sehr gute (1) Beurteilung verwendet wird, da das Wort “vollsten” ja falsches Deutsch ist. Da Dritte von den linguistischen Bedenken des Zeugnisausstellers nichts wissen können, werden sie diese Formel ihrerseits (der gängigen Auffassung entsprechend) nur mit der Note 2 rückübersetzen. Legt der Zeugnisaussteller also wert auf ein korrektes Deutsch, sollte er eine der zahlreichen Formulierungsalternativen wählen, um dem Zeugnisempfänger nicht einen Bärendienst zu erweisen. Z.B.:
“Seine/Ihre Leistungen waren stets sehr gut.”
“Wir waren mit seinen/ihren Leistungen jederzeit außerordentlich zufrieden.”
“Er/Sie hat unsere Erwartungen immer in allerbester Weise
erfüllt.”
Ist Ihr Zeugnis ein Chancenkiller?
Würden Sie als Personalchef einen Bewerber mit einem schlechten oder zweifelhaften Zeugnis zum Vorstellungsgespräch einladen, wenn Sie zahlreiche andere Bewerber haben, bei denen “alles stimmt”?
Schon Ungereimtheiten oder ungeschickte Formulierungen machen ein Zeugnis schnell zum Chancenkiller.
Dabei ist dies oftmals vom Aussteller gar nicht gewollt und wurde dem Zeugnisempfänger unter Umständen nur aus Unachtsamkeit oder Unwissenheit ein “Bärendienst” erwiesen.
Nehmen Sie Ihr Zeugnis genau unter die Lupe und vertrauen Sie nicht blind darauf, dass die meist wohlklingenden Formulierungen auch wohlgemeint sind und letztlich auch als Lob verstanden werden.
Checkliste zur Zeugnisinterpretation
Müssen einzelne Fragen mit NEIN beantwortet werden, ist Vorsicht geboten! | |
Tätigkeitsbeschreibung: |
|
Leistungsbeurteilung: |
|
Verhaltensbeurteilung: |
|
Schlussformulierungen: |
|
Längen / Proportionen: |
|
Allgemeines: |
|
Zeugnis bei Aufhebungsvertrag oder Kündigungsschutzklage mitverhandeln
Ist Ihr Arbeitgeber an Ihrem Austritt interessiert und bietet Ihnen einen Aufhebungsvertrag an, dann nutzen Sie die Gunst der Stunde und denken Sie bereits jetzt an Ihr Zeugnis. Jetzt haben Sie noch alle Trümpfe in der Hand und wird Ihr Arbeitgeber kompromissbereit sein. Das Gleiche gilt bei einer Kündigungsschutzklage.
TIPP:
Einigen Sie sich im Rahmen des Aufhebungsvertrages oder einer Kündigungsschutzklage auch auf den konkreten Wortlaut Ihres Zeugnisses. Eine Vereinbarung wie “erhält ein qualifizierte, wohlwollendes und berufsförderndes Zeugnis der Note 1” führt später sehr oft zu Streitigkeiten darüber, wie denn ein sehr gutes Zeugnis auszusehen hat. Bringen Sie daher zum Termin gleich einen entsprechenden Zeugnisentwurf mit. Dies erspart Ihnen hinterher möglicherweise viel Ärger.